In Krisenzeiten wird weniger konsumiert. Eigentlich gut für die Natur, aber nachhaltige Anbieter leiden besonders darunter. Die konventionellen Produzenten wiederum überbieten sich mit immer tolleren Nachhaltigkeitsversprechen. Viele Täuschungen lassen sich leicht erkennen. Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg gibt wertvolle Tipps.

UmweltDialog: Wie krisenfest ist nachhaltiger Konsum aus Ihrer Sicht?

Da müssen wir sehr unterscheiden. Eigentlich bedeutet nachhaltiger Konsum weniger zu konsumieren. Wenn die Leute weniger konsumieren, gibt es auch weniger Umweltauswirkungen davon. Das ist vollkommen von der Krise unabhängig. Was Sie jetzt natürlich meinen, ist das Marktsegment der sogenannten hochpreisigen Ökoprodukte, die teurer sind, weil sie bio, öko oder sonstwas sind, und die werden natürlich in den Phasen, wo es den Leuten nicht so gut geht, hinten angereiht. Es gibt weiterhin Familien und Haushalte, die sich das leisten können und wollen und andere, für die das das Erste ist, wo sie einsparen.

Aber in der Summe korreliert Umweltbelastung immer mit Haushaltseinkommen. Das heißt: Je reicher, desto mehr Umweltauswirkungen. Wenn wir uns die CO2-Bilanzen der letzten Jahren ansehen, dann gehen die Rückgänge nicht so sehr darauf zurück, dass wir alle so wahnsinnig öko geworden sind, sondern dass viele Betriebe zugesperrt haben und nicht mehr produzieren. Und etwas Ähnliches passiert im Konsum auch. Also, diese zweischneidige Antwort würde ich geben: Geringerer und sparsamer Konsum ist grundsätzlich öko. Das teure Öko-Marktsegment wiederum leidet ganz sicher in der Krise.


Ob vegan, plastikfrei, biologisch abbaubar, umweltschonend, nachhaltig, ressourcenschonend – viele Firmen werben mit Nachhaltigkeit, aber immer wieder müssen wir jedoch lesen oder hören, dass das nicht stimmt. Stichwort „Greenwashing“. Wie definieren Sie Greenwashing?

Greenwashing entsteht, weil Ökologie und nachhaltiges Wirtschaften ein Modethema geworden sind. Es wird viel darüber gesprochen, und man kann sich damit auch schmücken. Wenn jemand sagt: „Ich selber bin Öko“ – dann meint er damit, dass er sich auch irgendwie als ein guter Mensch und toll fühlt. Deshalb ist das von den Marketingabteilungen aufgegriffen worden und die verwenden „Öko“ als ein ganz normales Marketing-Tool. Und da wiederum muss man ganz klar sagen, dass die wenigsten Auszeichnungen auch nur annähernd halten, was sie versprechen. Es gibt eine ganze Menge von vollkommen ungeschützten Begriffen, wo sie irgendwas reinschreiben können im Sinne von „sorgfältig produziert“, „nachhaltig hergestellt“ oder „kontrolliert hergestellt“.

Es gibt heute regelrechte Logofriedhöfe dazu. Jede Firma fügt ihr eigenes Logo dazu – das macht es noch unübersichtlicher. Wenn Sie sich dann von einem durchschnittlichen Produkt die Produktkennzeichnung anschauen, brauchen Sie erstens eine Lupe und zweitens sind Sie völlig verwirrt von dem Überangebot an Informationen. Das ist letztendlich auch eine Strategie: Früher hat man so gut wie nichts deklariert, was von vielen moniert wurde – und jetzt gibt es die Gegenstrategie: Ich pappe alles drauf, was geht, und verwirre damit die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das Wenigste davon hat wirklich Substanz, und darauf sollte man letztendlich achten und sich nicht von dem ganzen Blendwerk wie Verpackungen in zartgrün oder in rot blenden lassen.

Zum Beispiel, wenn ein Produkt suggeriert, es sei öko-positiv. Aber was heißt das? Wie kann ein Produkt Klima-positiv sein?

Was sind beliebte Scheinargumente in der Werbung?

Zum Beispiel, wenn ein Produkt suggeriert, es sei öko-positiv. Aber was heißt das? Wie kann ein Produkt Klima-positiv sein? Das würde theoretisch heißen: Je mehr Sie von diesem Produkt konsumieren, desto besser geht es der Umwelt. Das ist natürlich grober Unfug – wird aber gerne behauptet. Das geht für mich dann schon in die Betrugsschiene, jedenfalls in die Verwirrungsschiene.

Ein anderes Beispiel ist meine Lieblingsaussage „100 % recyclingfähig“. Das ist eine klassische Nullaussage und erzählt überhaupt nichts: Weder, ob das Produkt recycelt wird, noch ob das sinnvoll wäre oder ob das ökologisch eine Entlastung bringt. Grundsätzlich können Sie bis auf lebende Organismen alles recyceln, wenn sie genügend Aufwand betreiben. Die Frage ist, ob das sinnvoll ist und ob es gar ökologische Entlastungen bringt. Mit solchen Aufschriften wird gerne Verwirrung gestiftet.


Wie viel Nachhaltigkeit in bestimmten Produkten steckt, können Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel kaum selbst erkennen. Was empfehlen Sie?

Theoretisch müssen wir auf Siegel verweisen. Aber wie wir schon bei dem Labelfriedhof gesehen haben, ist das problematisch. Dennoch es gibt einige wenige Siegel, die Substanz haben und auf die man bevorzugt achten sollte. Das heißt aber nicht automatisch, dass Produkte mit diesen Siegeln super sind, aber es ist eine vergleichsweise gute Wahl. Ich nenne im Lebensmittelbereich die Biosiegel. Auch da kommt immer als Einwand, es gebe auch hier Betrug und Dinge, die schieflaufen. Ja, das stimmt, aber deutlich weniger als im konventionellen Lebensmittelbereich. Eigentlich ist Bio die Untergrenze dessen, wie Lebensmittel produziert werden sollten. Im Non Food-Bereich sind der „Blaue Engel“ und die europäische „Umweltblume“ empfehlenswerte Zeichen. Im Textilbereich ist es ganz schwierig. Die Siegel, die wir am Markt sehen, sind oft sehr lasch, und die, die streng sind, sehen wir kaum am Markt. Auch das ist ein Problem dieser Siegel-Landschaft.


Jetzt gibt es von Seiten der EU Pläne zur schärferen Regulierung – Stichwort „Green Claims Initiative“. Was versprechen Sie sich davon?

Das sind immer sehr gute Ideen und im Anfangsstadium auch vielversprechende. Da kommt meistens jemand aus dem Parlament oder aus der Kommission und sagt: „Es wäre doch klug, wenn wir das so-und-so machen würden, und dann schreien zunächst mal alle Ja“. Doch dann geht es durch den europäischen Gesetzgebungsprozess mit seinen unzähligen Lobbykammern, und auf einmal erkennen Sie die ursprüngliche Intention nicht mehr. Wir sehen das etwa bei der Health Claims-Verordnung, die zwar bei Nahrungsmitteln relativ gut exekutiert wird, aber in anderen Bereichen wie etwa Kosmetika oder Reinigungsmitteln sehr schwammig ist.

Bei „Green Claims“ wird das natürlich besonders schwierig. Was ist denn „Green“ überhaupt? Wenn ich in der Logik der Europäischen Kommission denke, könnte ich sagen: „Alles, was CO2 reduziert, ist green“. Und dann könnte ich auf einmal auf einem Atomkraftwerk ein Green Label finden! Das finde ich Unsinn. Besser wäre es zu sagen, das ist innerhalb einer Warengruppe das, was mit vertretbarem Aufwand in einem Massenmarkt mit halbwegs gutem Gewissen konsumiert werden kann. Wenn wir zu so einer Ehrlichkeit kommen, glaube ich, dann gewinnt die Green Claims Initiative auch an Akzeptanz.


Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!